Als ich vor rund drei Jahren nach Berlin gezogen bin, kannte ich mich in Berlin kaum aus. Ich war vorher ein paar Mal hier gewesen und wusste grob, welcher Stadtteil wo war, aber so wirklich… Meine Wohnungssuche war auch dazu passend. An der S1 oder S7 gelegen und mindestens grob im berliner Süd-Westen. Das waren auch schon alle meine Anforderungen, von “nicht zu teuer” einmal abgesehen. Als ich mir meine spätere Wohnung anguckte, wusste ich nichts über die Gegend. Ich wusste grademal, welche U-Bahn-Station in der Nähe war und das die S1 nicht weit war. Mit der S1 lag ich daneben, aber in positiver Richtung: Ich hatte eine Station übersehen, so dass ich noch weniger weit laufen musste. Hier angekommen sah ich dann aber einiges, was die Wohnung stark aufwertete: Ein Supermarkt, ein Bäcker und ein Dönerladen genau vor der Tür. Ich würde also wohl nie weit laufen müssen. Außerdem war eine Bushaltestelle auch in der Nähe. Mangels Stadtkenntnis wusste ich aber natürlich nicht, wohin die Busse dort fuhren.
Neben den Bussen (die, nebenbei bemerkt, rund um die Uhr zum Potsdamer Platz und zum Alex fahren – ein Glücksfall also) wurde vor allem der Supermarkt mein Freund. Es war ein Spar-Markt. Bis zu meinem Einzug hier war Spar für mich eine Kette von Mini-Läden. Wirklich repräsentativ war diese Meinung nicht zustande gekommen – sie fußte auf meiner Erfahrung als Grundschüler, denn auf meinem Schulweg war ein Spar, bei dem ich ab und zu Süßigkeiten kaufte. Und der war halt sehr klein. Der Spar hier in Berlin jedoch war halbwegs groß, insbesondere für berliner Verhältnisse. Wenn man ölner Supermärkte gewöhnt ist, findet man die berliner Läden schrecklich. Viel zu klein und viel zu wenig Angebot. Für eine Glühbirne kann man hier nicht mal eben zum Supermarkt gehen, in Köln ist das kein Thema. Aber zurück zum berliner Spar. Dieser hatte das meiste, was ich täglich brauchte, so dass ich eigentlich immer dort einkaufen ging. Sehr schnell gewöhnte ich mir ab, für mehr als ein oder zwei Tage einzukaufen und ging fast jeden Tag nach der Uni dort vorbei – er lag ja eh auf dem Weg. Ich hielt dem Spar sogar die Treue, nachdem er “meine” Punica nicht mehr im Angebot hatte – schließlich hatte der Kaisers an der nächsten Ecke sie auch nicht.
Nach und nach kannte ich dann alle Angestellten (und sie vermutlich auch mich). Und ich bemerkte etwas, was ich sonst noch nirgendwo bemerkt hatte. Die Angestellten waren alle nett. Nicht übertrieben nett, so dass es zwanghaft wirkt, sondern wirklich nett. Man würde angelächelt, begrüßt, verabschiedet. Bei Fragen wurde schnell, kompetent und freundlich geholfen. Genau so, wie ich im Supermarkt behandelt werden möchte wurde ich behandelt.
Vor rund einem Jahr entdeckte ich meine Leidenschaft für Apfelschorle. Also räumte ich dem Spar sein gesamtes Apfelschorleregal leer. Das hört sich schlimmer an, als es ist – das gesamte Regal reichte grademal für einen Kasten. Dabei sah mich ein Mitarbeiter, der sich später als der Besitzer des Ladens herausstellte. Er fragte mich, ob ich das jetzt öfter trinken würde. Als ich das bejahte, sagte er, dass er es dann für mich bestellen würde. Ich fand das nett. Nie zuvor war ich auf die Idee gekommen, in einem Supermarkt etwas zu bestellen. Entweder der Laden hatte es, oder er hatte es eben nicht. Das beeinflusste in meiner Gedankenwelt nicht der Kunde, sondern der Betreiber. Offenbar war es zumindest hier anders.
Das nutzte ich drei Monate später aus, als meine Punica plötzlich wieder im Regal stand. Ich suchte mir den Chef und fragte ihn, ob er die jetzt immer habe bzw. für mich bestellen könnte. Er versprach mir, sich darum zu bemühen. Und was soll ich sagen. Es klappte. Ab dem Zeitpunkt hatte ich – bis auf eine kleine Unterbrechung, in der der Chef Urlaub hatte und sich keiner um die Getränke kümmerte – alle Regale leerten sich in den zwei Wochen beträchtlich – immer meine Punica. In der zweiten Woche, in der sie nicht da war, fragte meine Freundin nach – und erhielt als Antwort sinngemäß “Ja, da gibt es ja auch so einen jungen Mann, der die immer trinkt, schon wegen dem bestelle ich die”. Ich war also bekannt.
Vor einigen Wochen begannen sich die Regale zu leeren. Zuerst nur an wenigen Stellen, so dass ich an Lieferschwierigkeiten dachte. Dann immer mehr. Also fragte ich mal nach: “Sie machen doch nicht zu, oder?” “Doch, leider.” Seitdem leerten sich die Regale immer mehr. Ganze Tiefkühltruhen waren irgendwann leer, aus vier Regalmetern Wein wurde einer, die unteren und oberen Regalböden wurden nicht mehr genutzt. Es sah immer trostloser aus. Ich glaube, es gibt nicht viel traurigeres als einsame Konservendosen in einem ehemals vollen Regal. Anfang Dezember dann die Poster an den Fenstern. Sie erst machten es offiziell. Mein Spar würde bald nicht mehr mein Spar sein. Er würde schließen. Die meisten Mitarbeiter waren schon weg.
Heute ist es soweit. In 15 Minuten schließen sich die Türen des Spars in der berliner Lauterstraße ein letztes Mal. Ich wünsche allen (ehemaligen) Mitarbeitern alles Gute. Ihr wart der beste Supermarkt, den ich kenne.
Hm, Spar, guter Service… Erinnert mich an Shopblogger.de 🙂
Wer weiß, vielleicht findest Du ja wieder so einen guten Laden. Ich drück die Daumen.